Geschichten aus dem Leben

Auch unsere Vorfahren haben eine Menge erlebt. Vieles ist schon längst in Vergessenheit geraten, doch dank Erzählungen und Aufschrieben ist es mir möglich, einige Ereignisse in den Leben unserer Ahnen hier zu teilen.

Der Krankenbesuch

Geschrieben von Friedchen Burger geb. Fröhlich

Die beteiligten Personen sind meine Kusine Linchen, geb. 1901. Mein Vater Wilhelm Fröhlich, überall „Wilhelm-Onkel“ genannt. Er erblickte im Jahre 1885 das Licht der Welt. Sein Bruder Karl (1887), der für alle seine Nichten und Neffen der „Karl-Onkel“ war. Ferner beider Schwester Lina (1881), die als Patientin sich in Bad Kreuznach in einem Krankenhaus befand. Der Ort des Geschehens ist die Landstraße zwischen Rockenhausen und Bad Kreuznach, welche sich in 28km Länge durch 12 Dörfer schlängelt. Zeit der Handlung: Das Jahr 1923. Doch nun zur Sache. Mehr lesen


Die schon erwähnte Tante Lina musste sich einer Operation unterziehen und lag krank in der Klinik. Mein Vater beschloss, seiner Schwester einen Besuch abzustatten- und zwar mit dem Fahrad. Von diesem seinem Vorhaben bekam die Nichte Linchen Wind und sofort hatte sie großes Verlangen nach der kranken Tante. Lange brauchte sie nicht zu betteln; denn er Wilhelm-Onkel brachte es nicht übers Herz, ihr diesen Wunsch abzusagen und nahm sie mit. Das tapfere Linchen war damals 22 Jahre alt und hattegerade das Radfahren erlernt. Nun ist hier doch zu erwähnen, dass sie zwar radfahren konnte, nicht aber das Aufsteigen beherrschte und erst recht nihct das Überholen. Das bedeutete, dass sie jedes Mal vom Fahrrad sprang, sobald ein Fuhrwerk oder eine Person des Weges kam. Hatte sie ihr Fahrrad am Hindernis vorbeigeshcoben, hieß es nun wieder aufsteigen. Und eben das war ihr nicht möglich. So musste also der Wilhelm-Onkel Hilfestellung geben, musste von seinem eigenen Gefährt absteigen, dieses an den Straßenrand legen, dem Linchen aufsteigen helfen, dann selber wieder aufsitzen – und weiter ging die Fahrt. Dass dies bei der Wegstrecke von 28km selbst bei dem damals geringen Straßenverkehr einige Male passierte, braucht wohl nicht besonders erwähnt zu werden und auch dies nicht, dass das Hemd des Onkels ob dieser schweißtreibenden Betätigung bald nass auf seiner Haut klebte. Aber ein Zurück gab es nun nicht mehr und schließlich näherten sich die beiden Radler langsam aber sicher ihrem Ziel.

Doch in der Kurstadt tauchte in Form der Straßenbahnschienen ein neues Problem auf. Das ahnungslose Linchen ließ sich zwar willig von seinem Begleiter belehren, welche Gefahr hier für einen Radfahrer lauert – doch da war es schon zu spät. Das Fahrrad lag auf der Straße, das Linchen daneben, sein so schönes weißes Kleid mit Schmutz bedeckt. Armes Linchen, noch ärmerer Wilhelm-Onkel, es blieb ihnen nichts erspart. Wieder packte der geduldige Onkel das Fahrad bei Sattel, rannte einige Meter neben dem strampelnden Linchen her, bis es sich wieder eingestrampelt hatte – und weiter ging es dem Krankenhaus entgegen. Aber oh weh, da tauchte mit vollbepackter Tasche ein Briefträger auf. Dem ahnungslosen Postbediensteten war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, was die junge charmante Fahrerin mit ihm vorhatte. Aber dem Wilhelm-Onkel schwante nichts Gutes. Wie hypnotisiert starrte Linchen auf den immer näher kommenden Mann. Doch nach rechts oder links auszuweichen, dieser rettende Gedanke kam dem guten Kind nicht. Und dies wäre so gut möglich gewesen, da außer den drei Personen sich sonst niemand weit und breit auf der Fahrbahn befand. Aber nein, schnurstracks lenkte sie ihr Fahrrad auf die volle Tasche, die des Briefträgers Bauch zierte. Geschockt ob dieses Geschehens konnte der diensttuende Mann nur noch die Arme ausbreiten, um das liebliche junge Mädchen zu umfangen. Ob diese spontane Umarmung allerdings herzlich und liebevoll war, ist nicht ganz sicher. Meine Kusine jedenfalls wusste es nicht zu sagen. Doch an den Ausruf des Briefträgers, dass ihm in seinem ganzen Leben derartiges noch nie passiert sein, daran konnte sie sich noch genau erinnern. Des Onkels Nervenkräfte waren inzwischen sehr schwach geworden und nur die Tatsache, dass das Krankenhaus jetzt unmittelbar vor ihnen lag, gab ihm das Durchhaltevermögen für den Endspurt. Die kranke Tante Lina freute sich von Herzen über den Besuch ihrer Lieben und war ihnen dankbar. Hier möchte ich beifügend erwähnen, dass sie leider nach der Operation nicht mehr gesunden durfte und wir, ihre jüngeren Nichten und Neffen haben sie persönlich nicht mehr kennengelernt.

Als nun die Zeit immer mehr vorrückte und man langsam an die Heimfahrt denken musste, wurde es dem Wilhelm-Onkel angst und bange und in seinm Kopf begann ein Plan zu reifen. Diesen gefassten Plan unterbreitete er mit folgenden Worten seiner Nichte: „Bleibe Du bei der Tante, ich fahre allein nach Rockenhausen zurück und schicke Dir zur Begleitung auf dem Heimweg den Karl-Onkel.“ Die psychischen Kräfte meines Vaters waren offenbar total erschöpft. Auf diese Weise kam nun auch der Karl-Onkel noch in den Genuss einer etwas strapaziösen Radtour. Linchen machte sich darüber keine Gedanken und nahm den Wechsel der Onkels gelassen hin. Hauptsache, was ihre Person betraf, sie hatte tapfer durchgehalten. Die erwähnten Personen leben längst nicht mehr, doch dürfen wir uns heute noch froh an sie erinnern, dank des Plauderstündchens bei meiner Kusine Linchen.


Die Sage von Rinzenberg

Zitiert aus "Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern" von K. Lohmeyer 1909

Einem Einwohner des am Hochwalde gelegenen Dorfes Alt - Rinzenberg, der den Familiennamen Engel* führte, träumte einst 3 Nächte hintereinander
        Zu Coblenz auf der Brück
        Da blüht dir dein Glück.
Als er dies seinen Verwandten erzählte, ließen die ihm keine Ruhe, bis er gen Koblenz sich aufmachte, um das Glück zu suchen. Mehr lesen


Dort angekommen, begab er sich sofort auf die alte Moselbrücke, an der das kurtrierische Schloß stand und ging auf ihr auf und ab, das Glück erwartend, das sich aber nicht einstellen wollte. Schon voll Ärger über die unnötigen Ausgaben und die beschwerliche Reise, wollte er, als es immer später wurde, sich wegbegeben, als ihn ein Soldat, der auf der Brücke Schildwache stand, durch das sonderbare Gebaren des unruhig hin und hergehenden Bauers aufmerksam gemacht, anredete und ihn frug, was er eigentlich hier suche. Ach, sagte der Bauer, da träumte mir 3mal hintereinander

        Zu Coblenz auf der Brück

        Da blüht dir dein Glück,

und nun laufe ich schon den ganzen Tag hier auf und ab, aber vom Glück habe ich noch nichts gesehen. Da lachte der Soldat und sagte: „Auf Träume muß man überhaupt nichts geben, da träume ich zum Beispiel immer, in Rinzenberg steht in einer alten verfallenen Zisterne ein Kessel voll Gold, aber soviel ich auch gefragt habe, kein Mensch kann mir sagen, wo Rinzenberg liegt, das gibt's ja gar nicht." Aha, dachte der Bauer, jetzt weiß ich genug, verabschiedete sich schnell und machte sich auf den weiten Heimweg und, zu Hause angekommen, fand er den Schatz richtig an der bezeichneten Stelle, hob ihn und erbaute weit ab von seinem Dorfe am Eberswalde, nahe bei dem damals weit und breit berühmten Sauerbrunnen 3 überaus massive Häuser und gründete so Neu-Rinzenberg, das unter dem Namen Rinzenberg noch heute besteht und namentlich vor dem 30 jährigen Krieg ein blühender Ort war, während Alt-Rinzenberg verfiel und bald völlig eingegangen und verschwunden war.

* Die Rede ist von dem Kaufmann Niklaß "Nickel" Engel (geb. 1555 in Rinzenberg, gest. 1635). In Lohmeyers Buch wird er als Protagonist der Sage dargestellt. Niklaß Engel ist mein direkter Vorfahr und liegt im Stammbaum 14 Generationen zurück.

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Not macht erfinderisch

Urgroßvater war genügsam

In der Zeit der Besetzung durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Bürger nicht viel. Mein Urgroßvater Wilhelm Fröhlich nutzte deshalb die Anwesenheit der amerikanischen Soldaten aus: In ihren Räumlichkeiten buken diese oft Pancakes. So ging er abends oftmals zu ihnen und holte den überschüssigen Pancaketeig ab, der nicht verwendet worden war. So hatten er und seine Familie auch etwas von den amerikanischen Pfannkuchen.

Außerdem nahm er den Kaffeesatz mit und brühte daraus noch einmal neuen Kaffe auf.

Not macht erfinderisch!